Bericht zum CCC-Regiowochenende 2018

Bericht zum CCC-Regiowochenende 2018

Ich stelle hier vor Allem die Arbeitsweise und die Atmosphäre des Chaos vor. Wenn du da auch mal mitmachen möchtest oder tiefer gehende Fragen zu den eigentlichen Ergebnissen hast, melde dich bei Chaos Siegen.

Vom Freitag, den 12., bis Sonntag, den 14.10.2018, fand im Pfadfinderzentrum auf dem Donnerskopf das diesjährige CCC-Regiowochenende statt, zudem Sandzwerg aus der Warpzone (Münster) mich, nanooq abholte, da Siegen auf dem Weg liegt.  

Wir kamen gerade rechtzeitig an, um in Ruhe die Zimmer zu beziehen, das mitgenommene Material zu verteilen und sich ein bisschen unter die Anwesenden zu mischen. Sva begrüßte im Plenum die Anwesenden und stellte die Agenda vor.  

Wir verwendeten ein modernes Veranstaltungsformat, es ist ein an Chaos angepasstes Barcamp. Eine von mehreren Anpassungen waren mehrere thematische Boards, die uns Fragen stellten, die wir dort mit unseren Antworten bereichern konnten. Mir ist dabei wieder aufgefallen, dass nach der „Bauchnabelschau“ durch die Frage „Wer sind wir?“ etwas später, dafür umso konkreter und produktiver Arbeitsaufträge in die Welt hinaus abgeleitet und verfolgt werden – ungelenkt, organisch, logisch aus sich selbst heraus.  

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Photo by Markus Spiske / Unsplash

Freitag Plenum I

Die Fragen waren „Was ist der CCC?“, „Was ist der CCC nicht?“, „Was gefällt dir?“ und „Was gefällt dir nicht?“.  Unsere Antworten waren von unterschiedlicher „Wellenlänge“. „Langwellige“ Antworten kamen von denjenigen, die ein paar dutzend Chaosjahre hinter sich haben: Links politisch, Rückgrat der Szene, kein Softwarezertifizierer und kein Computer ADAC. Die „kurzwelligen“ Antworten kamen dementsprechend eher aus dem Tagesgeschehen, gesamt politisch oder regional. Auffallend war das positive Identitätsbild, also Identität wurde von einem Haufen „Was ist der CCC?“-Antworten beschrieben und kaum von den zwei, drei Antworten zu „Was ist der CCC nicht?“.  

Danach folgte eine Diskussion über „Aliens“, die in zwei Ergebnissen endete. Erstens, der Versuch „Aliens“ als Mitglieder des CCC e. V. zu begreifen, die nicht in „Entitäten“ (Erfas oder Chaostreffs)  organisiert sind, stellte sich als unzureichend heraus. Außerdem sind seit einigen Jahren auch „Nomads“ und „Plurals“ in der ohnehin schon vielseitigen Chaos-Familie unterwegs. Die Begriffsdefinition war ein netter Versuch und durfte scheitern, weil die unterliegende Frage ersichtlich wurde: Wie binden wir die „outliers“ in Chaos-Arbeit ein, also, wie aktivieren wir sie? Für mich stellte sich heraus, dass diese Aktivierungsfrage eine Meta-Fragestellung auch in anderen Bereichen ist.  

Bei dieser Nabelschau wurde auch die Arbeit des Presseteams angesprochen und festgestellt, dass dies eine Knochenarbeit ist, die jahrelange Vorarbeit und Einarbeitungszeit benötigt und immer von drei unachtsamen Minuten kaputt gemacht werden kann. Hier diskutierten auf einmal ein paar Chaoten, die seit einiger Zeit versuchen die CCC-Themen und die Meldungen des Presseteams lokal ins Gespräch zu bringen mit anderen Chaoten, die beruflich Journalisten sind. Der Vorschlag eine Arbeitsgruppe „Regional but Public Relations“ wurde geboren, in die Agenda aufgenommen und weiter verfolgt.

Freitag Abendessen

Das Essen wurde von der „Black Kitchen“ zubereitet und war vor Allem vegan und sehr lecker. Es gab auch mehr als genug für alle und im Laufe des Wochenendes gab es auch immer Obst und Kuchen für zwischendurch. Also Hunger hatten wir alle nicht.  

Freitag „Socializing“

Die Unterkunft hatte neben Plenarsaal auch noch ein paar Bänke draußen und einen Sofaraum im Keller, sodass sich bei Mate, Tschunk und Bier alle überall angenehm schnacken und vermischen konnten. Themen, die wir aus dem Plenum noch mitnahmen waren „liquide Verantwortungsdiffusion ist geil, führt aber auch zu nicht immer nachvollziehbar entstandenen, undurchsichtigen Hierarchien“ und „Chaos bedeutet übergeordnete Ordnung“

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Photo by Artak Petrosyan / Unsplash

Samstag - Frühstück

Es ist auffällig, in welchem Maße man im Chaos aufeinander achtet und wie viel Platz für unterschiedliche Verhalten ist. Während die letzten des Vorabends aufräumten und die Kaffeemaschine für die Frühaufsteher vorbereiteten, so haben die Frühaufsteher die Kaffeemaschine angemacht und übersehene leere Bierflaschen weggeräumt. Das lange Frühstück von neun bis halb elf war eine gute Idee. Die Frühen waren wieder im Thema drin, sie Morgenmuffel hatten ihren Kaffee und konnten sich gemütlich dazu setzen und eigentlich warteten wir alle nur noch auf das Go des Orga-Teams.

Samstag - Plenum I  

Seit dem letzten Plenum hing eine Liste an Arbeitsgruppen aus, zu den Interessanten konnte man sich dazu schreiben. Die uninteressanten Arbeitsgruppen wurden im Plenum identifiziert und rausgenommen und die übrigen Gruppen auf mögliche Räumlichkeiten verteilt. Das ist ein sehr flexibles Vorgehen, denn so konnten starke Gruppen in große Räume und selbst auf unerwartet verschlossene Räume konnte reagiert werden. Davon hab ich nichts mitbekommen, meine Arbeitsgruppe setzte sich draußen auf die Wiese.

Hier die Übersicht der Arbeitsgruppen und Themen, die verfolgt wurden:  

  • spaceapi & spaceapi.ccc.de
  • Dezentrale Dienste
  • Die Hausdurchsuchung und wir
  • Öffentlichkeitsarbeit
  • Entscheidungstools & Go-Live
  • Chaosbots
  • DSGVO

Die thematische Streuung ist repräsentativ. Sie ist immer so breit, dass alle möglichen Fähigkeiten notwendig sind. Neben den als Chaos obligatorischen technischen Nerdthemen, gibt es natürlich auch gesellschaftspolitisch-obligatorische Themen. Ein Subset von Beidem bilden die Themen zur Selbstorganisation, was man als Vereinsarbeit im weitesten Sinne beschreiben kann.

Jede Gruppe hatte schon am Vorabend einen „Hutträger“, jemand der sich formell für das Wochenende verantwortlich fühlt. Entweder der „Hut“ war schon vorher im entsprechenden Team und hatte den Hut nun bekommen oder er hat berufliche Erfahrung zu dem Thema oder einfach nur ein tiefes Interesse, dass die Ergebnisse des Wochenendes nachhaltig im Chaos nachhallen.  

Die meisten Gruppen arbeiteten mit einem HackMD (bzw. mittlerweile CodiMD), dass sich als kollaboratives Werkzeug durchgesetzt hat. Häufig wurde das Protokoll begleitend von mehreren geführt, was konkret bedeutet, immer wenn ein schlauer Satz, eine Erkenntnis, eine Struktur oder ein Prozess hervor trat, dann wurde es dort aufgeschrieben.  

Samstag - Plenum II  

Die Arbeitsgruppen kamen zusammen, stellten ihre Ergebnisse in zwei Minuten vor und sammelte Fragen und Rückmeldung vom Plenum. Alte und fertige Gruppenthemen wurden somit abgeschlossen, dokumentiert und die Chaoten verteilten sich auf die noch offenen und für sie interessanten Gruppen. Danach: Essen fassen. Die 90 Minuten Mittagspause enthielt für einige auch eine Mütze Schlaf auf der Wiese. Es gab drei Orte, an denen sich Gesprächsgrüppchen bildeten: Im Großen Plenarraum, weil man während des Essens nebeneinander saß. Danach gingen die meisten raus, weil das Wetter schön war. Auf der Wiese stieß man entweder zu bereits bestehende Gruppen hinzu oder blieb einfach stehen und diskutierte immer lauter, bis andere dazu kamen und die Diskussion streuten. Dann gibt es die übliche „Störung“ durch Raucher und laute Fragen „Will jemand noch ne Mate?“

Samstag - Plenum III

Nach dem Mittagsessen und dem Chillen danach, ging es mit gemeinsamer Diskussion weiter. Angesprochen wurde das Verhältnis zwischen Chaos und Club und das Verhältnis zwischen Szene und Verein. Das sind beliebte und sehr ergiebige Themen, es gibt immer tagesaktuelle Begebenheiten und alte Geschichten. Es schwankt von richtig ernstem Kaffeeklatsch zu „Oh! Wir haben hier eine neue Selbsterkenntnis!“ und neue Chaoten können sich hier ebenfalls einfach einklinken. Es ist eine wichtige Einübung und Übung in Chaos-Diskurs.  

Danach stellten die Arbeitsgruppen wieder ihre Ergebnisse vor, dieses Mal in ungefähr 20 Minuten mit mehr Tiefe. Ein Beispiel vielleicht: Die Gruppe „Entscheidungstools“ trug vor, dass sich Discourse als Software für Chaos-weite Diskussion geprüft haben und es nun an die Implementierung gehen sollte. Applaus. Frage: Wie soll die Domain lauten? Ernste Vorschläge waren „diskurs.ccc.de“. Technische Vorschläge nutzten den Softwarenamen „discource.ccc.de“, aber am meisten Anklang fand „disko.ccc.de“ in Anlehnung an Diskotheken, die man besucht um zu tanzen. Das ist Chaos-Humor. De facto wurde aber auch disco.ccc.de und discource.ccc.de zugestimmt, weil CNAMEs nichts kosten.  

Samstag - Plenum IV

Hier wurde ein Hackspace-relevantes Thema angesprochen. „Wie gehen wir mit merkwürdigen Menschen um?“. Das Chaos ist eine Gruppe mit vielen Autisten, *-Sexuellen und generell Menschen außerhalb der gesellschaftlichen Norm und mit ihnen als Gemeinschaft groß und großartig geworden. Aber was tun mit Menschen, die sich wie Arschlöcher verhalten? Es gab eine Buchempfehlung (Stichwort: „No Asshole Rule“) und Beispiele und Empfehlungen sich einerseits in Gelassenheit zu üben, andererseits Menschen, die aus Kritik nicht lernen, nicht im Chaos zu halten. Abschließend gab es großes Interesse an ein HowToMediation-Workshop

Die zweite geführte Diskussion betraf „Formalismus“ und den Gegenpol Informationsverteilung. Das Chaos versucht immer schon mit so wenig Formalismus wie nötig, die höchst mögliche Informationsverteilung zu erreichen. Hier kam die chaosweit etablierte Regelung: „Wenn du 2 Bürgen hast, kannste mitmachen“ wieder hervor, sie wurde auch im Zusammenhang mit Mitgliedsanträge in Hackspaces gebracht. Letzten Endes haben wir uns dann darüber ausgetauscht, wie in anderen Hackspaces die gleichen Herausforderungen gemeistert werden, um den eigenen Lösungsweg zu reflektieren und zu verbessern.

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Photo by Cesar Carlevarino Aragon / Unsplash

Sonntag

Da die Gruppenarbeit am Vortag abgeschlossen wurde und wir uns aufeinander eingegroovt hatten, haben wir zwei Themen im großen Plenum besprechen können. Wir haben das nächste Regiowochenende und Grenzen des Wachstums des Congress besprochen.  

Ich hebe hier ein paar Teile hervor: Der *c3 (Chaos Communication Congress) ist in den letzten Iterationen sehr stark gewachsen, die familiäre Atmosphäre findet man bei ihm nicht mehr, dafür aber bei EH (EasterHegg), MRMCD (MetaRheinMainChaosDays), GPN (GulaschProgramierNacht) und DS (Datenspuren). Der *c3 erhält hohe mediale Aufmerksamkeit und hat rechtliche Auswirkungen an unerwarteten Ecken: Die „Bildungsurlaub“-Gruppe konnte für NRW den Bildungsurlaub in den Wissenschaftsausschuss bringen mit dem Ziel es zu überarbeiten.  

Aber, und das ist ein großes Aber, einige von der „Orga“ (Jeder, der was für den Kongress für mehr als sich selber organisiert ist Teil der „Orga“) haben ab Oktober nichts außer Kongressaufgaben und einige werden zeitlich, finanziell und persönlich davon aufgerieben.  

Dieser Hilferuf hat mich persönlich sehr berührt und ich frage mich, ob diejenigen, die noch mehr Besucher, noch mehr Hallen und noch mehr Tage haben wollen, diesen Hilferuf auch hören.  

Hier trat auch die Meta-Frage des Wochenendes hervor: „Wie bekommen wir die Inaktiven und Neugierigen aktiviert?“. Dazu gibt es verschiedene Ansätze und alle sollen natürlich sofort lokal umgesetzt werden. Ich sag nur, wenn du mitmachen willst, melde dich bei Chaos Siegen.  

Nach dem letzten Mittagessen applaudierten wir dem Küchenteam für das leckere Essen, der Unterkunft für die vielen Möglichkeiten Dinge zu tun, dem Orga-Team für die gute Organisation und uns selber für ein produktives und gechilltes Wochenende. Da alle auch für den Abbau blieben, ging das auch ganz schnell und ich musste Sandzwerg aus einer Diskussion draußen ziehen, damit dieses Wochenende ein Ende findet und ich diesen Blogeintrag schreiben kann.  

Von mir nochmal vielen Dank für das großartige Wochenende und die vielen Aufgaben und Wege, die noch zu bestreiten sind.  

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Photo by Jens Lelie / Unsplash