Chaos Computer Club Schweiz hat erfolgreich E-Voting gekippt

Chaos Computer Club Schweiz hat erfolgreich E-Voting gekippt

Wie ein Krimi liest sich die Sammlung der Presseartikel, die der Chaos Computer Club (CCC) Schweiz führt. Vor wenigen Tagen haben die Schweizer das E-Voting in ihrem Land gekippt und für den unaufhörlichen Einsatz des CCC Schweiz spricht ihnen Chaos Siegen Lob und Anerkennung aus. Im Folgenden der "Krimi" von 2013 bis jetzt anhand von Presseartikeln mit unseren Kommentaren.

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Photo by Micaela Parente / Unsplash

Wider besseren Wissens

2013-11-19 Limmattaler Zeitung:
Schwarzmarkt für Wahlergebnisse: E-Voting wird kritisiert

2011 entschied der Zürcher Regierungsrat gegen weitere Versuche mit E-Voting. Es sei zu wenig genutzt worden und keine neue Wählerschichten wurden erreicht. Alle Testgemeinden, außer einer, brachen ihre Versuche ab.
Es ist nett, Wählerschichten zu erreichen, der Kern einer Wahl benötigt allerdings Nachvollziehbarkeit bei der Stimmauszählung. Weil man einen Computer nicht dabei beobachten kann, wie er welche Bits und Bytes verarbeitet, unterliegt das E-Voting immer dem nachzählbaren Kreuz auf Papier. Ein Kreuz auf Papier erkennt jeder und das schafft Vertrauen in die Demokratie.
Für das Statistische Amt des Kantons Zürich behauptet Stefan Langenauer, dass die neue Software-Version deutlich sicherer sei. Der Wähler erhalte einen Code per Post und könne im Rechenzentrum überprüfen, ob die Wahl korrekt angenommen worden sei.
Im Juli 2013 griff ein Hacker das Testsystem des Genfer E-Votings an und konnte ein Ja unbemerkt in ein Nein umwandeln. Zu recht forderte eine parlamentarische Initiative im Zürcher Kantonsrat ein Verbot des E-Votings.
Dennoch will der Kanton Zürich E-Voting nochmal aufnehmen, in einem offenen Brief warnt Volker Birk vom CCC:

  • Das Problem der unsicheren Computer bleibt ungelöst
  • Die technische Umsetzung ist nicht sicher genug
  • Phishing möglich und damit ein Schwarzmarkt, auf dem man Wahlergebnisse kaufen kann wie heute schon Kreditkarten-Daten

2015-06-16 Telebasel:
E-Voting: Hacker warnen (Audio-Datei)

2017-05-18 20 Minuten:
Hacker warnen nach Cyberangriff vor E-Voting

Der Vizedirektor des Zentrums für die Erforschung der direkten Demokratie behauptet "Sobald E-Voting-Systeme in der Schweiz eine universelle Verifizierung bieten, könnte man die Sicherheit der beiden Stimmkanäle [Briefwahl und E-Votings] als mindestens gleichwertig einstufen." Erklärt wird "Universelle Verifizierung" als mathematisches Beweismittel, mit dem Wahlbeobachter und Freiwillige überprüfen können, ob Stimmen korrekt registriert wurden. Das Führen von mathematischen Beweisen ist uns weniger alltäglich wie einfaches Auszählen. Deshalb wird der oberflächliche Zeitgewinn bei der Auszählung mit ihrer Nichtnachvollziehbarkeit bezahlt, das schadet der Demokratie. Digitalisierung ist ein zwei-seitiges Schwert, sodass...

2018-02-26 Blick:
SVP-Nationalrat und Hacker wollen E-Voting verbieten

eine Volksabstimmung in Gang gebracht werden soll (hoffentlich analog ausgezählt). Frankreich, Norwegen und England haben ihre E-Voting-Versuche nach Hacker-Angriffen abgeschafft und in den Vereinigten Staaten wurde manipuliert. Auch das Genfer E-Voting-System wurde gehackt und ein entsprechendes Youtube-Video wurde dazu gepostet.
Trotz all dieser Ereignisse wollen es die Kantone Basel-Stadt, Bern und Luzern kopieren.

2018-02-26 NZZ:
Gegner wollen E-Voting mit einer Volksinitiative verbieten

2018-03-03 Zürichsee-Zeitung:
Verein warnt vor E-Voting

2018-03-08 Republik:
E-Voting – der Schweizer Sonderfall

Der CCC ist einer der lautesten und engagiertesten Gegner von E-Voting. Die Argumente des Clubs stossen auf Anklang, schliesslich handelt es  sich bei den Mitgliedern um ausgewiesene Experten in Sachen Hacking. «Man muss verstehen, was die Computerisierung bedeutet, und sie muss  Grenzen haben», sagt Marques. «Demokratie in den Endergebnissen darf nicht ans Netz.»

2018-04-06 Limmattaler Zeitung:
Trotz Sicherheitsbedenken beim Bund: Zürcher Regierungsrat will E-Voting einführen

2018-04-06 NZZ:
Die Demokratie verträgt nicht das leiseste Misstrauen

2018-05-11 NZZ:
E-Voting spaltet die Fachwelt

2018-05-11 Zürichsee-Zeitung:
E-Voting nimmt erste Hürde

Präsident Karl Güntzel (SVP) sagt "Am Schluss waren wir uns grösstenteils einig darin, dass man nicht darum herumkommt", wenn es darum geht den Stimmbürgern eine Auswahl an verschiedenen Stimmkanälen zu bieten. "Ein Teil der Bevölkerung hat am E-Voting sicher Interesse" - wie auch am Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit. In beiden Fällen ist der langsamere Weg der eigentliche sicherere für Individuum und Gesellschaft - für E-Voting ist das ganz einfach: Auszählen. Das Argument, dass Stimmbürger digital wählen, die sonst gar nicht wählen, ist wiederholt widerlegt worden. Wählen ist eine Weltanschauung, keine Technologie.

Nun, es wird nicht besser.

2018-06-17 coredump.ch:
Verletzung Stimmgeheimnis E-Voting SG

Weiterhin werden technische Sicherheitsargumente angeführt - und widerlegt. So auch hier: Über installierte Browser-Add-Ons und Plug-Ins kann das Abstimmungsverhalten erkannt werden, was wiederum das Stimmgeheimnis verletzt. Mein Problem: Die technische Diskussion lenkt von der Grundsätzlichen ab.

2018-06-18 Tagesanzeiger:
E-Voting: Fragiles Stimmgeheimnis

photo of red and white SOS decor
Photo by Hans Gustafsson / Unsplash

Told you so

Bis hier hin sind viele Warnungen ausgesprochen und in den Wind geschlagen worden. Die Gegenargumente, gesellschaftlicher und technischer Art, sind, obwohl belegt, ignoriert worden.

Literarisch ist die kognitive Dissonanz mehr als belegt.

2018-06-27 SRF Tagesschau:
E-Voting bald grossflächig möglich

Die Geschichte gewinnt hier, bei der manifestierten Realitätsflucht an Geschwindigkeit.

2018-07-05 WOZ: E-Voting:
Es wird garantiert gehackt

Sprach es und hackte.

2018-11-02 NZZ:
Hacker finden Schwachstelle in Genfer E-Voting-System

2018-11-02 SRF:
Hacker finden Schwachstelle im grössten Schweizer E-Voting-System

2018-11-02 SRF 10vor10:
Schwachstelle in Schweizer E-Voting-System entdeckt

2018-11-02 SRF Tagesschau:
Hacker beim E-Voting

2018-11-02 Top Online:
Sicherheitsleck im E-Voting-System der Schweiz

2018-11-04 The Siver Telegram:
The Security of E-Voting in Geneva Questioned

2018-11-04 timogrossenbacher.ch:
Ist E-Voting in der Schweiz sicher?

2018-11-05 Computerworld.ch:
Genfer E-Voting-System verwundbar

2018-11-05 Die Ostschweiz:
Junge SVP fordert sofortiges Moratorium für E-Voting

2018-11-05 inside-it.ch:
Genfer E-Voting-System hat eine Sicherheits-Lücke

2018-11-05 Swissinfo:
Flaw reported in Switzerland’s biggest e-voting system

Und hier eine politische Reaktion, die bei mir ein verdutztes "Bitte, was?" auslöst:

2018-11-10 NZZ am Sonntag:
Bund stellt Preisgeld für Hacker-Test in Aussicht

assorted chess piece
Photo by Louis Hansel / Unsplash

Die Gegenwehr

"Weil nicht sein kann, was nicht sein darf" reagiert die Seite, die hart auf den Teppich der Realität herunter geholt wurde mit juristischen Schritten.

2018-11-20 Steiger Legal: Unsicheres E-Voting:
Abmahnung für den Chaos Computer Club aus dem Kanton Genf

2018-11-21 inside-it.ch: E-Voting:
Kanton Genf bedroht CCC mit Klage

2018-11-21 PC Tipp: E-Voting:
Kanton Genf mahnt Chaos Computer Club ab

2018-11-22 Swiss IT Magazine:
Chaos Computer Club wegen Vorführung von E-Voting-Problemen abgemahnt

In der Abmahnung wird dem Züricher CCC vorgeworfen, er habe

  • auf einer gefälschten Webseite rechtswidrig Wappen von verschiedenen Kantonen verwendet
  • die Volksabstimmungen gestört und
  • das Vertrauen der Stimmbürger untergraben.

Man könnte der abmahnenden Seite dasselbe vorwerfen: Mit dem Einführen des zweiten Stimmkanals wurde die Volksabstimmung gestört. Das damit geschädigte Vertrauen der Stimmbürger war bereits durch die jahrelangen Fehlbehauptungen der Politik untergraben. Tatsächlich ist nur das eingetreten, was technisch versierte Stimmbürger vorhersagten. Abschließend, etwas bei den Haaren herbeigezogen: Darf eine Institution überhaupt ihre eigenen Wappen führen, wenn sie die Grundfesten ihrer eigenen Werte untergräbt?

Die Abmahnung kann das Unaufhaltbare nicht mehr aufhalten. E-Voting ist tot, auch in der Schweiz. Und das geht dann ganz schnell:

2018-11-23 Tagesanzeiger:
«Alle E-Voting-Systeme der Schweiz sind unterwandert»

2018-11-28 Aargauer Zeitung:
Rückschlag: Kanton Aargau sistiert nun doch E-Voting-Pilotprojekte

2018-11-28 inside-it.ch:
Kanton Genf trägt eigene E-Voting-Lösung zu Grabe

2018-11-28 NZZ:
Bevor die Schweiz weitere Millionen in ein neues E-Voting-System steckt, sollte sie Kosten und Nutzen abwägen

2018-11-29 Der Bund:
Genf zieht Schlussstrich unter E-Voting-System

2018-11-29 Heise.de:
Schweiz: Pionier unter den Kantonen schließt E-Voting-Plattform

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Photo by Ian Stauffer / Unsplash

Das war auch schon die fünfjährige Geschichte, wie E-Voting in der Schweiz, völlig zu recht, abgeschafft wurde. Vielen Dank für dieses Lehrstück an den Chaos Computer Club Schweiz.