Empfehlung für die EU-Politik: Freie und quelloffene Software

Empfehlung für die EU-Politik: Freie und quelloffene Software

Am 26. September 2019 trafen sich Experten für Freie und Open Source Software (FOSS) aus ganz Europa in Brüssel, um über FOSS und seine treibende Rolle bei der digitalen Transformation in Europa zu diskutieren und wie die EU diese Entwicklungen weiter fördern kann.

Die unterzeichnenden Organisationen haben sich auf den folgenden Offenen Brief geeinigt.

Freie und Open Source Software (FOSS) bezieht sich auf alle Programme, die unter bestimmten Bedingungen und Lizenzen vertrieben werden, die es Benutzern ermöglichen

  • die Software für jeden Zweck zu nutzen,
  • zu studieren, wie das Programm funktioniert,
  • das Programm an ihre Bedürfnisse anzupassen und
  • es mit anderen zu teilen, um Innovationen durch Zusammenarbeit zu ermöglichen.

Freie und Open Source Software ist Mainstream-Technologie. Kommerziell betrieben (Enterprise FOSS) unterstützt es die kritische Infrastrukturen in einer Vielzahl von Sektoren wie Regierung, Finanzen, Sicherheit, Telekommunikation, Gesundheitswesen, Fertigung und Transport in Europa.

Aktuell ist es die forschende und programmierende Gemeinschaft der digitalen Transformation, mit einigen der größten Internet- und mobilen Plattformen der Cloud, die auf ihr aufbauen und sie aktiv mitgestalten und weiter entwickeln. Tatsächlich verlassen sich europäische Unternehmen jeder Größe stark auf FOSS, um ihr Innovationstempo zu erhöhen und im globalen Wettbewerb zu bestehen. Die Entwicklung von FOSS liefert einen Großteil des Treibstoffs hinter den europäischen Technologieprioritäten wie E-Government, Künstliche Intelligenz, HPC, Blockchain, 5G, eHealth, Industry 4.0, Connected Cars und dem Internet der Dinge.

Um vertrauenswürdige Systeme zu errichten und technologische Souveränität zu erlangen, sollten die Verwaltungsbehörden Europas sicherstellen, dass sie die volle Kontrolle über die Software und Computersysteme im Mittelpunkt unserer digitalen Regierungsinfrastrukturen haben.

In diesem Sinne hat die EU im Bereich FOSS wichtige Schritte unternommen, um die digitale Transformation, aber auch den "Walk the Policy Talk" durchzuführen. Als Beispiel seien die jüngste digitale Strategie der Europäischen Kommission und die Betonung der Ko-Kreation sowie langjährige Strategien/Rahmenwerke wie das ISA2-Programm, das Open-Source-Observatorium, die EU-Open-Source-Strategie und die in der Erklärung von Tallinn festgelegten Ziele genannt. Weitere Initiativen sind Hackathons zur Unterstützung der Zusammenarbeit mit der Gemeinschaft sowie spezifische Projekte wie die FOSSA 2 in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament. Es kann jedoch noch viel mehr getan werden, um das Potenzial von FOSS in der EU zu erschließen.

Die Unterzeichnung der Erklärung von Tallinn durch die Mitgliedstaaten und Drittländer im Jahr 2017 ist ein weiterer Beweis dafür, dass die Realisierung von Freier und Open-Source-Software entscheidend für den Beginn, die Beschleunigung, die Verbesserung einer erfolgreichen digitalen Transformation ist. Einige Länder wie Frankreich, Italien oder Bulgarien haben die FOSS-Gesetzgebung eingeführt. Städte wie Paris, Amsterdam und Barcelona nutzen immer mehr FOSS, um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit innerhalb der EU und weltweit zu ermöglichen. Großprojekte können Know-how und Kosten teilen, ähnliche Anwendungen müssen nicht jedes Mal neu und mit transparenten Prozessen programmiert werden, und andere müssen das Rad nicht neu erfinden. Dies stärkt auch die europäischen Ideale der Zusammenarbeit.

Die Mehrheit der Beamten ist sich der Bedeutung von FOSS im Rahmen umfassenderer digitaler Strategien noch nicht voll bewusst. Die meisten aktuellen digitalen Strategien der öffentlichen Verwaltungen könnten noch weiter aktualisiert werden, um zu reflektieren, wie Freie und Open Source Software im Einklang mit der technologischen Unabhängigkeit Europas und dem europäischen Wachstum der digitalen Verwaltung, eHealth, Cloud Computing, ihrer Relevanz für KMU-geführte Innovationen und einem europäischen IT-Markt, Open Science, Industry 4.0, im Bereich Cybersicherheit und Künstliche Intelligenz stehen.

Die Unterzeichner richten sich daher an die EU-Institutionen mit folgenden Empfehlungen für die nächsten fünf Jahre:

Forschungsfragen

Es gibt bereits eine Fülle von Forschungsarbeiten über Freie und Open-Source-Software, von denen ein Großteil durch EU-Forschungsgelder und von der Kommission finanziert wurde. Allerdings bestehen in vier spezifischen Bereichen Lücken, für die die Europäische Kommission am besten geeignet ist, um dringend benötigte Forschungsarbeiten durchzuführen.

Empfehlung 1: In den Bewertungen und Zwischenberichten der Programme Horizon Europe und Digital Europe sollte FOSS und seine Rolle und Relevanz in den EU-Forschungsförderinstrumenten besonders hervorgehoben werden.

Empfehlung 2: Wir begrüßen die Ausschreibung der Europäischen Kommission für eine FOSS-Marktstudie. Sie sollte jedoch mit einer ähnlichen Kadenz wie andere Digitalisierungsmessprojekte (z.B. DESI) aktualisiert werden, um die Entwicklung zu verfolgen, da die Wachstumsrate von FOSS signifikant ist.

Empfehlung 3: Die Europäische Kommission sollte weiterhin untersuchen, wie sie Gemeinschaften bei FOSS-Lösungen, z.B. im Bereich eGovernment, gemeinsam entwickeln und unterstützen kann.

Empfehlung 4: Die europäischen Institutionen sollten bei der Finanzierung der Forschung sicherstellen, dass die Grundsätze der Open-Access-Wissenschaft auch für Software gelten, die im Rahmen dieser Forschung entwickelt wurde. Daher sollte es unter einer FOSS-Lizenz veröffentlicht werden. Dadurch wird die Zusammenarbeit zwischen den Forschungsteams gefördert und die Reproduzierbarkeit sichergestellt.

Problem der institutionellen Kapazität der EU

Es ist notwendig, einen ganzheitlichen Ansatz für die digitale Politik zu verfolgen. Es gab unbeabsichtigte Folgen für die FOSS-Geschäfte, die sich aus den Rechtsvorschriften im Rahmen des digitalen Binnenmarkts ergaben. Eine breitere Sichtweise erfordert, dass alle relevanten Kommissionsdienststellen sich bewusst sind und handeln, um den Erfolg von European FOSS zu ermöglichen.

Empfehlung 5: Die Europäische Kommission sollte die vorhandenen Ressourcen verstärken, die sich auf die Schaffung einer Einheit mit einem klaren Mandat für die Zusammenarbeit mit FOSS und/oder die Einrichtung einer Geschäftsbereich übergreifenden, Kabinett übergreifenden Zusammenarbeit konzentrieren, die sich auf die zunehmende Bedeutung von FOSS für die digitale Transformation konzentriert.

Empfehlung 6: Die europäischen Institutionen sollten sich bei ihren politischen Entscheidungen auf den gut dokumentierten Wissensschatz der FOSS-Gemeinschaften stützen, um unbeabsichtigte Folgen zu minimieren.

Empfehlung 7: Die europäischen Institutionen sollten sich bei der Vorbereitung politischer Entscheidungen an die FOSS-Gemeinschaft wenden, um ihre Interaktion von der technischen auf die politische Ebene auszuweiten und das Risiko unbeabsichtigter Folgen zu minimieren.

Verfolgung der Verpflichtungen von FOSS

Die europäischen Institutionen und die Mitgliedstaaten haben sich intensiv für die Offenheit eingesetzt. Diese Verpflichtungen müssen erfüllt werden, um ihre Vorteile zu nutzen.

Empfehlung 9: Die Europäische Kommission sollte den Verpflichtungen der Mitgliedstaaten in der Erklärung von Tallinn nachkommen und proaktiv ihre Rolle bei der Unterstützung und Überwachung der Umsetzung der Erklärung in den Mitgliedstaaten übernehmen.

Empfehlung 10: Die europäischen Institutionen und die Mitgliedstaaten sollten Überlegungen zu einer weiterführenden, ehrgeizigeren Ministererklärung zu eGovernment anstellen, einschließlich weiterer konkreter Ziele und Verpflichtungen für FOSS.

Empfehlung 11: Bei der Entwicklung von Software muss die Europäische Kommission ihrer Verpflichtung zur Entwicklung von Software unter einer FOSS-Lizenz und Develop In the Open (DITO) nachkommen und alle EU-Institutionen ermutigen, sich auf einen standardmäßigen FOSS-Ansatz einzulassen.

Unterzeichner:

OpenForum Europe
The Free Software Foundation Europe
Open Source Initiative
CNLL
Open-Xchange
HULK - Riječka podružnica Hrvatske udruge
Linux korisnika
Centre for Open Systems and Solutions, Finland
Croatian Society for Open Systems and Internet
Chaos Computer Club (CCC)
The Document Foundation
OpenUK
OW2
Software Heritiage
Open Source Business Alliance
Petites Singularités
Chaos Computer Club Siegen e. V.

Siegen

Der Chaos Computer Club Siegen e. V. schließt sich dem Offenen Brief und den enthaltenen Empfehlungen an. Für Presseanfragen und -kontakte steht Karsten "Tau" Hiekmann, unter presse@chaos-siegen.de zur Verfügung. Du bist auch einfach so eingeladen dich mit uns für Netzpolitik und Bürgerrechte einzusetzen, ganz im Sinne des CCC.  

Eine weitere Veranstaltung von uns, mit europäischem Bezug, ist der "Europäische Datenschutztag 2020", dieses Mal mit einem Workshop zur VTT.

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