Machen und machen lassen
Ein Bericht von Fionn.
Anfang der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts begab es sich, dass ein junger Kerl sich anschickte, Informatik zu studieren. Das Internet begann gerade zu entstehen. Er kam an eine gute Uni und sein Studium war nicht ganz so dröge und theoretisch, wie das von manchen seiner Bekannten an anderen Orten. Trotzdem fehlte das Element des Praktischen an vielen Stellen, ganz zu schweigen vom spielerischen Entdecken der neuen Technik.
Auch einigen anderen ging es so. Dann hatte jemand die Idee, sich zu einer Gemeinschaft zusammenzuschließen, um diese Lücke zu füllen und ohne Zwang gemeinsam abseits der offiziellen Pfade die Abenteuer der Technik zu entdecken. Unter der väterlichen Schirmherrschaft eines großartigen Professors (möge er in Frieden ruhen!) entstand so an der Universität Siegen die Unix-AG, deren Gene man auch mehr als zwei Jahrzehnte später heute noch im HaSi e.V. und dessen neuestem Sproß, dem CC Siegen e.V., erspüren kann. Die Unix-AG brachte eine ganze Reihe großartiger Menschen hervor und verfiel dann einem tragischen Siechtum in Folge krasser, bildungspolitischer Fehlentscheidungen. Ich glaube, es ist nicht übertrieben zu behaupten, dass viele Mitglieder aus der Blütezeit der Unix-AG heute nicht da wären wo sie sind, wenn sie einfach nur studiert hätten. Bei vielen hat das Studium am Ende länger gedauert, als geplant. So manche haben sogar nie den Abschluss geschafft und stehen trotzdem heute mit Erfolg und einem Schatz an praktisch anwendbarem Wissen im Leben und Beruf, den ein regulärer Absolvent kaum je hätte erwerben können.
Wenn ich heute als einer der „Alten“ ins HaSi gehe, dann freue ich mich unsagbar darüber, wie im HaSi dieses Licht weitergetragen wurde und daraus eine Fackel der Kreativität und des harmonischen Miteinanders in gemeinsamen wie individuellen Projekten entstanden ist. Dann spüre ich wieder diesen Geist des freundlich-kindlichen Entdeckens und die Motivation, um des eigenen Interesses willen etwas zu schaffen. Viele junge Menschen und ganze Familien kommen zu den Mitgliederversammlungen! Komplette Ausgründungen wie der Laden für unverpacktes, ein Gartenprojekt und nicht zuletzt Chaos Siegen zeugen von der Macht des Machens.
Heute hat der junge Kerl von damals mehr als sein halbes Leben hinter sich. Seine zwei aufgeweckten Kinder wachsen in eine Welt hinein, in welcher sich der individuelle Lebens- und Gestaltungsspielraum Jahr um Jahr weiter einengt, wie die Schlinge um den Hals eines Hasen in der Falle. Wer heute aufwächst und studiert, der lebt unter ständigem Wettbewerbsdruck in einem engen Korsett aus finanziellen und institutionellen Beschränkungen, welches jeden Mut zu eigener Verantwortung, eigener Initiative und eigenen Interessen systematisch erstickt. Das beginnt schon im frühesten Kindesalter, wenn Eltern nicht mehr entscheiden dürfen, ob ihr Kind schon reif für die Schule ist oder lieber noch ein Jahr Kind sein darf. Überforderung nach Vorschrift von Anfang an.
Statt „Leben und Leben lassen“ geht es darum viel zu oft nur noch um das eigene „Überleben“ und darum, irgendwie über die Runden zu kommen. In dieser Welt ist es so wichtig wie schon lange nicht mehr, jungen Menschen die richtigen Vorbilder zu geben. Vorbilder, die zeigen, dass eine bessere Welt nicht in passiver Resignation auf der Netflix-Couch entsteht, sondern aus individueller Initiative und gemeinsamem Handeln, aus Kreativität und vorurteilsloser, gegenseitiger Unterstützung; durch „Machen und machen lassen“.
Ich träume davon, dass der Geist dieser einfachen Grundidee nicht nur in Siegen, sondern überall zukünftig weiter so wunderbar wächst, auch in die nun kommenden Generationen hinein. Dabei finde ich es besonders wichtig, einerseits weiterhin neue Ideen wachsen zu lassen, andererseits aber auch darauf zu achten, dass diese Wurzel niemals davon überwuchert wird und in Vergessenheit gerät.
In diesem Sinne freue ich mich auf noch viele Jahre, in denen ich ins HaSi gehen und mich als „alter HaSi“ einfach wohlfühlen kann, erfüllt von Dank gegenüber all den Menschen,die dort so viel machen, andere machen lassen, und mir Hoffnung für die Zukunft geben.